Nach dem großen Krawall kommt die große Debatte. Es geht um die Zukunft der Gesellschaft und vor allem um die Zukunft des englischen Image im Ausland ein Jahr vor den Olympischen Spielen. Die mal eben per EasyJet aus dem Urlaub zurückgeflogenen Parlamentarier haben viele Fragen, Vorschläge, Vorwürfe und leider wenig konstruktive Ideen für die Regierung, die an ihrem „kaltherzigen“ Sparkurs, wie „Die Welt“ es am Mittwoch so schön nannte, nicht rütteln will – oder kann. Es gibt schließlich keine Alternative. Gespart werden muss und das tut in Zeiten des kümmerlichen Wachstums natürlich besonders weh. Doch noch ist alles nicht verloren im Königreich, denn schließlich – so musste auch der Premier zugeben und betonen – ist die englische Jugend insgesamt gesehen doch eine ganz ordentliche.
Schade nur, dass es sich die Regierung mit den Studenten auch herzlich verdorben hat. Ab dem Jahr 2012 müssen die Studenten in England (und nur in England – Schottland hat seine Unis nicht hängen lassen) pro Jahr £9.000 Studiengebühren bezahlen. Seltsamerweise kann sich dieser Tage niemand mehr an die Studentenproteste vor nur wenigen Monaten in London erinnern, bei dem auch die Studenten (leider!) großes Potential zum Randalieren zeigten. Damals war der Premier auch außer sich. Hier natürlich hatten die jungen Leute (anders als bei den Krawallen der letzten Woche) eine eindeutige politische Agenda. Trotzdem haben sie in Westminster die Fenster eingeschlagen.
(Foto: independent.co.uk)
Schuldige für die Krawalle haben sich schnell gefunden: Die Schulen und die Eltern. Die haben nämlich versagt. Falsch ist das sicher nicht – vielleicht ein wenig oberflächlich. Denn wenn in den Schulen unmotivierte Lehrer arbeiten, wenn die allein erziehenden Mütter, die selbst noch Kinder sind, nicht einmal wissen, wie man „Perspektive“ eigentlich buchstabiert, dann liegt das Problem doch eigentlich woanders, oder?
Vor allem ist es ja nicht nur die englische Jugend, die dieser Tage auf die Straßen geht. Überall in Europa sind sie am Protestieren. „Jugend ohne Plan“ nennt das Ulf Poschardt (wieder in der „Welt“) und schreibt von einer Jungend, die zu verwöhnt wurde vom Sozialstaat und nicht willens ist, für Luxus im Leben auch etwas zu tun und stattdessen nur jammert. Ganz Unrecht hat der Mann sicher nicht. Er meint, die Jugend verstünde den Ernst der finanziellen Situation ihrer Heimatländer nicht. Auch das mag richtig sein. Wie lange aber kann dieses „Augen-zu-und-durch“ Manöver, egal was links und rechts passiert, noch gut gehen? Werden unsere Politiker am Ende Politiker ohne (junges) Volk?
(Proteste in Spanien - bbc.co.uk)
Perspektive, ja, das ist das Zauberwort. Bildung ist noch eins. Streben nach Besserem ist auch schön. Wer kann, flüchtet sich (in den letzten verfügbaren Plätzen vor Erhöhung der Studiengebühren) an die Unis und hofft dort, unabhängig vom akademischen Talent, eine Ausbildung (am liebsten hinterher getragen) zu bekommen, die einen dann hoffentlich reich macht. In ein paar Jahren haben wir dann ein Land, in dem jeder zweite einen Uni-Abschluss hat, man aber vergeblich nach einem Klempner sucht. Alle lernen große Worte, doch die kleinen Werte, wie Menschlichkeit und Rücksicht auf den Nächsten, gehen dabei unter.